Am 2. Dezember starteten die Lifte am Arlberg und wir mit ihnen. Auch wenn das aktuelle stabile Hoch auf eine Fönwoche folgte und dementsprechend das Angebot an Off-Piste-Möglichkeiten eingeschränkt war, so konnten wir konnten wir uns doch auf den wichtigsten Aspekt der Veranstaltung konzentrieren: Sicherheit. Gerade zu Anfang der Saison ist es so wichtig, nochmal alle Tour- bzw. Freeride-Safety Details ins Gedächtnis zurückzurufen, zu trainieren – ebenso mental wie praktisch – und umso besser, wenn man noch Neues dazulernt, was mit einem Guide bei der SSC garantiert der Fall ist. Zum Praxisteil gleich mehr.
Was ist die Snow Safety Conference (SSC)
Die zweitägige Veranstaltung in Lech Zürs zu Saisonbeginn ist vielmehr als eine Konferenz mit ihren spannenden Vorträgen und Diskussionen innerhalb des kostenfreien Abendprogramms sowie dem vielfältigen Outdoor-Programm zum Thema Sicherheit im Schnee. Lech Zürs gründete vor fünf Jahren diese offizielle Plattform für Experten und Besucher da „Tiefschneefahren tief verwurzelt ist in unserer Skikultur und damit auch der sichere Umgang mit dem Schnee“. Zur Praxis gehören Materialtests wie von ABS und Pieps (keine Hardware für Snowboarder ausleihbar, daher unbedingt eigenes Material vollständig mitbringen!), Freeride und LVS-Training mit staatlich geprüften Berg- und Skiführern oder den Profis der Freeride-Szene ab 55 €.
Snowboard Programm
Ausgeschrieben war „Splitboard Experience“ Lawinenkunde & Splitboardtechnik unter Leitung von Chris Schnabel, Inhaber der Tiroler Snowboardschule www.intothewhite.at/. Aufgrund der Schneesituation machte es keinen Sinn, auf Tour zu gehen, also waren wir mehr mit Snow- als mit Splitboards unterwegs aber da alle Teilnehmer eigene Splits besitzen, war das Handling eh klar. Ich hatte Chris schon in diversen abgefahrenen Videos gesehen und wusste, dass er bei der Freeride World Tour mitgefahren ist und als Guide den Nachwuchs bei den Freeridecamps.at unterstützt. Dass er sein Business von der Pike auf gelernt hat und staatlich geprüfter Snowboardlehrer und -führer ist, war mir neu. Nach der Programmbeschreibung machte ich mich auf alles gefasst, ggfs. auch mit Splitboard-Neulingen nochmal das grundsätzliche Tourengehen durchzuexerzieren doch weit gefehlt: Ich hatte die Ehre mit zwei Teilnehmerinnen der Freeride World Tour snowboarden zu gehen: Mit Freeride Weltmeisterin Aline Bock und mit der Finnin Mikaela Hollsten, genannt Miki. Vervollständigt wurde die Damenrunde von zwei weiteren Medienvertretern. Aline organisiert selbst mit Save on Snow Lawinenkurse für Frauen, die wir mit Splitboards Europe auch unterstützen. Nun konnte sie mal einen Safetykurs als Teilnehmerin erleben und selber nach dem LVS-Gerät buddeln. Miki hat für diesen Winter ihre Base von Finnland an den Arlberg verlegt und freut sich auf die neuen Stops der Freeride World Tour – ich drücke die Daumen!
Das Safety Brainstorming begann bereits im Tal vor dem Veranstaltungsort Robinson Club Alpenrose Zürs. Denn was bringt es oben am Berg erst festzustellen, was man an Ausrüstung vergessen hat. Ebenso ist es ratsam, den LVS-Check direkt zu machen, solange noch leere Batterien unkompliziert durch neue ersetzt werden können.
Wie plane ich eine Tour?
Ist meine Ausrüstung vollständig? HIER findet Ihr übrigens eine Packliste.
Mit wem gehe ich auf Tour?
Was sagt der Lawinenlagebericht?
So viel ist zu bedenken und gerade wenn man ein halbes Jahr nicht mehr Freeriden gegangen ist, lieber in Ruhe alles früh genug planen.
Mit der neuen Trittkopf- und der neuen Flexenbahn waren wir in kürzester Zeit im Gebiet St. Anton. Mit dieser Verbindung ist jetzt das gesamte Gebiet Lech Zürs, St. Christoph, Stuben, St. Anton sowie Warth Schröcken on Board erreichbar, weshalb Ski Arlberg sich aktuell das größte zusammenhängende Skigebiet Österreichs nennen kann. Laut Tourismusverband ging der Ausbau ohne Bedenken oder Proteste von statten, auch da keine neue Pisten entstanden. Auf der Webseite heißt es „Zusätzlich sind ab Inbetriebnahme der Flexenbahn durch die Flexengalerie zwischen Zürs uns Stuben/Alpe Rauz täglich 120 Busfahrten weniger notwendig“. Im Internet konnte ich keine gegenteiligen Stimmen finden.
Stop or go
Rund um den Klassiker Schindler Spitze fand Chris trotz der geringen Schneemenge noch Stellen, wo wir die Safety Themen praktisch üben konnten und auch überraschenderweise ein paar feine Lines ziehen konnten. „Heute ist kein Tag für Helden also bitte lasst es piano angehen“, mahnte Chris. Denn auch wenn die Pisten sehr gut präpariert waren, so waren Off-Piste doch viele Steine zu sehen. Immer wieder hielten wir an, um die umgebenden Hänge hinsichtlich Hangneigung und Exposition zu analysieren, ebenso die Schneebeschaffenheit und die Gefahrenmuster, die trotz Lawinenwarnstufe 1 gegeben waren. Hier seht Ihr übrigens alle 10 Gefahrenmuster, die der Lawinenwarndienst Tirol zusammengestellt hat. Empfehlenswert ist es auch, jeden Winter mindestens einmal eine LV-Suche selber durchzuführen. Wir trainierten eine Mehrverschüttetensuche auf Zeit, da der Sauerstoff in der Regel für etwa 15 Minuten reicht und danach die Überlebenswahrscheinlichkeit des Verschütteten rapide sinkt.
Tags darauf konnten wir anhand des Schneeprofils das Wetter der bisherigen Saison nachvollziehen, den stärkeren Schneefall von November, der von dem Fön mit hoher Windstärke Ende November abgelöst wurde, erkennbar an einem festen Harschdeckel und darauf nochmal eine geringe Menge etwas älterer Schnee. Chris machte deutlich, dass das Schneeprofil nichts über die Schneelage an einem anderen Hang aussagt sondern nur sehr kleinräumig gilt. Um wirklich ein Gefühl für die Schneesituation in einem Gebiet zu bekommen ist es erforderlich, die Niederschlagshistorie mitzuerleben und immer wieder Profile an verschiedenen Stellen zu graben.
Im Gebiet und in den Pausen thematisierten wir noch viele weitere strategische Entscheidungshilfen zur Beurteilung der Lawinengefahr u.a. mit der SnowCard vom DAV und der Reduktionsmethode außerdem setzten wir Vorsichtsmaßnahmen praktisch um. Taktisch geschickt führte Chris uns zum Schluss noch in ein feines Rinnen-Schmankerl. Bestens gelaunt und trotz der Steine mit unversehrter Snowboardbase kehrten wir nachmittags zurück nach Zürs, wo nach einem Drink an der Bar auch schon das kostenfreie Abendprogramm in der Alpenrose begann. Übrigens ist das Foyer hier ein regelrechter Melting Pot für die Freeride Branche, eine schöne Gelegenheit für den Austausch. Von den Ridern waren neben Chris, Aline und Miki auch Flo Orley, Lorraine Huber, Stefan Häusl, Björn Heregger und Hauni vor Ort.
Vorträge und Diskussionen bei der SSC
Die Praxis der Safety Days wird bei der SSC ergänzt durch die kostenfreien Vorträge und Diskussionen zwischen 17 und 19 Uhr in der Alpenrose Zürs. Auch eine Expo mit den Partnerfirmen wie Hersteller von Safety Equipment, Ski und Bekleidung ist geboten, wo tagsüber Produkte für den Test ausgeliehen werden können. Die Vorträge von Experten wie Lawinenforscher, Sachverständige für Alpinunfälle, Bergführern oder diesmal mit Reinhard Haller auch ein Gerichtspsychiater sind sehr zu empfehlen. So erinnere ich mich auch noch lebhaft an den Vortrag von Rudi Mair und Patrick Nairz über „Lehren aus dem heimtückischen Winter 2014/15“. Das schon kultige Experten-Duo des Lawinenwarndienstes Tirol referierte ebenso spannend wie lehrreich.
Die Vorträge bei der SSC 2016:
Walter Steinkogler: Lawinen – schnell, mächtig, unberechenbar?
Walter Würtl: No friends on powder days! Cooler Spruch oder knallharte Realität?
Michael Larcher: Vertrauen ist gut, (Eigen-)Verantwortung tut Not
Lisi Steurer: Recht auf Risiko – getrennte Welten?
Reinhard Haller: Psychische Folgen von Lawinenkatastrophen
Anschließende Experten-Diskussion zum Zwiespalt „(Eigen-) Motivation und Pflichtgefühl“
Fazit
Die Snow Safety Conference ist ein denkbar guter Einstieg in die Wintersaison um an zwei Tagen wichtige Safety Aspekte mit Profis am schönen Arlberg zu trainieren und abends in ungezwungener Atmosphäre sich mit Pro Ridern, Bergführern und Gleichgesinnten auszutauschen sowie bei den Vorträgen neue Perspektiven unseres geliebten Wintersports kennenzulernen. Das Safety Training mit ausgebildeten Guides ist ebenso spannend wie lehrreich und gehört m.E. mindestens einmal pro Saison zum Freeriden oder Tourengehen dazu. Freeride Guides findet Ihr sowohl in Skischulen als auch selbständige Guides im Internet wie beispielsweise in der App Guidfinder.
Unterkünfte
In Lech Zürs gibt es von der Jugendherberge Lech bis zu einer Auswahl von 5-Sterne-Hotels alle Kategorien. Wer gern nah an der SSC wohnt und vor oder nach dem Snowboarden auch ein paar Runden schwimmen oder saunieren möchte, dem sei der Zürser Hof empfohlen, denn die Spa Landschaft bietet ein beeindruckendes Angebot. Auch ein Fitness-Studio, eine Tennishalle und Personal Coaching sind im Programm, also für Sportler definitiv ein interessantes Haus. Verschiedene Packages inkl. Skipass sind zur Zeit der SSC buchbar ab 1466€. Direkt im Veranstaltungsort Robinson Club Alpenrose Zürs gibt es kein Package zur Zeit der SSC, regulärer Preis ist für 2 ÜN inkl. Vollpension ohne Skipass ab 342€.
Weitere hilfreiche Links:
Snow Safety Conference in Lec Zürs
Interaktive Skimap Ski Arlberg
Into the White, Freeride Guides
Ape Map, App mit GPS Karten kostenfrei und downloadbar
Guidfinder App